Kollektives Bewusstsein [Auszug aus Kapitel 4]
Das Konzept des kollektiven Bewusstseins beschäftigt Wissenschaftler bereits seit langer Zeit. Kollektives Bewusstsein bezeichnet die Annahme, dass Gruppen von Menschen, wie etwa Gesellschaften oder Kulturen, ein gemeinsames Bewusstsein entwickeln können, das über das individuelle Bewusstsein der Gruppenmitglieder hinausgeht. Émile Durkheim argumentierte, dass kollektives Bewusstsein durch gemeinschaftliche Rituale und Praktiken gestärkt wird, die Individuen miteinander verbinden. Diese Perspektive wurde von Mary Watkins und Helene Shulman weiterentwickelt, die aufzeigten, wie Rituale und geteilte Erfahrungen zur Entstehung von kollektiver Identität und Solidarität beitragen. Carl Gustav Jung betrachtete das kollektive Unbewusste als Quelle für kulturellen Wandel und gesellschaftliche Transformation. Ähnlich argumentiert Cornelius Castoriadis, dass kollektives Bewusstsein die Basis für die Schaffung neuer gesellschaftlicher Realitäten bildet.
Denker wie Adorno und Horkheimer warnten allerdings vor den totalitären Tendenzen kollektiver Bewusstseinsformen. In ähnlicher Weise argumentiert Slavoj Žižek, dass kollektives Bewusstsein Gefahr läuft, zu Konformismus und Unterdrückung zu führen. Die aktuelle Forschung zum kollektiven Bewusstsein deckt ein breites Spektrum an Perspektiven und Theorien ab.
Die Forschungsergebnisse von Jacek Debiec und Andreas Olsson legen nahe, dass neuronale Mechanismen wie Spiegelneuronen eine Rolle bei der Entwicklung kollektiven Bewusstseins spielen, indem sie die Fähigkeit zur Empathie und Perspektivübernahme fördern. In ihren Untersuchungen haben Pierre Levy und Howard Rheingold eruiert, inwiefern digitale Technologien die Entwicklung neuer Formen kollektiven Bewusstseins in virtuellen Gemeinschaften fördern. Jüngere Studien widmen sich der Analyse der Auswirkungen sozialer Medien auf kollektive Dynamiken.
Die Beziehung zwischen kollektivem Bewusstsein und künstlicher Intelligenz ist darüber hinaus ein zunehmend relevantes Forschungsfeld an der Schnittstelle von Kognitions-, Sozial- und Computerwissenschaften.